„Sigi, der Straßenfeger“ war Ihr fünfter Film mit dem Regisseur Wolf Gremm. Nach Krimi, Melodram und Psychothriller und nach „Fabian“ (1980) eine Komödie. Wie sind Sie nach einer nostalgischen, mit einer modern-frechen Komödie umgegangen?
Wolf Gremm brachte mich auf den Gedanken, eine rhythmische Musik zu schreiben, aber auch ein Thema für das Mädchen Willy, was ihm allerdings eher als ein Kinderlied vorschwebte – von uns beiden textiert ist es das quasi-Leitthema des Films, weil es am häufigsten ertönt. Für die Liebesszene dagegen wollte er eine romantische Musik haben. Eine eigene Idee brachte ich für die Fiffi-Box ein (dem Hundeklo-Modell, das im Film eine gewichtige Rolle spielt). Hier wollte ich eine Science-Fiction-Musik schreiben, wie man sie von Steven-Spielberg-Filmen her gewohnt ist. Die Idee gefiel Gremm zwar, doch ist die Musiksequenz zu meiner Enttäuschung im Film nicht verwendet worden.
Haben Sie die Musik von Kollegen gehört, als sie an „Sigi“ arbeiteten?
Natürlich – ich höre immer Musik von Kollegen. Ich glaube, das tut jeder Komponist – auch einer, der es nicht zugibt. Besonders hat mir die Musik zu „Garcon“ von Philippe Sarde gefallen, die ich während meiner Arbeit an „Sigi“ kennenlernte. Ich finde nichts interessanter als Musik zu hören, die andere schreiben – allerdings sind für mich Anhören und Abschreiben zwei verschiedene Dinge.
Wie kam es überhaupt zur Zusammenarbeit mit Wolf Gremm?
Das war, weil man manchmal im Leben auch Glück hat: Als Wolf an „Fabian“ arbeitete, lernte ich ihn über einen gemeinsamen Bekannten kennen. Er hörte sich ein paar Nummern von mir an und engagierte mich für die Songs – die restliche Musik sollte zu diesem Zeitpunkt noch von den Oliver Onions geschrieben werden, die vorher mit ihm gearbeitet hatten. Erst später, nachdem meine ursprüngliche Arbeit getan war, bat er mich auch die Background-Musik zu schreiben und wollte, dass ich mich in Dixielandmusik vertiefe. Im Übrigen hatte ich gegenüber einem anderen Komponisten, der zur Debatte gestanden hatte, den Vorteil, die Musik der Twenties gut zu kennen.
Sie haben als musikalisches Leitthema ein Pfeifthema genommen wird sind. Wessen Idee war das nun?
Das war Wolfs Idee. Er sagte mir, dass der Fabian ein etwas lustiger Typ sei, den so manches im Filmleben danebengeht, worauf er pfeift. Während der Arbeit an diesem Film war ich, weil als Barpianist auch Darsteller im Film, in der glücklichen Lage, Wolfs Arbeitsweise kennenzulernen.
Wie lässt es sich überhaupt mit einer Musik erfahrenen Regisseur, wie Wolf Gremm einer ist, arbeiten? Kann es nicht manchmal zu Hahnenkämpfen kommen?
Es lässt sich gut mit ihm arbeiten und ich finde es sehr viel interessanter mit jemandem zu arbeiten, der Musik kennt. Als Komponist ist man ja auch Dramaturg. Das hat schon mein Vater gewusst: „Grüß mir die süßen, reizenden Frauen in Wien“ wäre ohne Zusammenspiel der Librettisten, die ihm eine Zusammenstellung zweier Themen vorschlugen, gar nicht zustande gekommen. Das es auch Missverständnisse gibt, ist schließlich bei jeder Partnerschaft vorkommend. Aber wie sagte Orson Welles im „Dritten Mann“ so treffend: „300 Jahre Krieg Elend, Not in Europa brachten der Welt da Vinci, Michelangelo und Raffael. 300 Jahre Frieden in der Schweiz brachten der Welt die Kuckucksuhren.“ So ist es auch zwischen Wolf und mir. Wenn immer Frieden ist und man sich verträgt, kann nicht viel dabei herauskommen. Es muss Kämpfe am Arbeitstisch und in Besprechungen geben, um damit etwas Idealeres hervorzubringen.
Im Vorspann von „Sigi“ wird als Co-Composer Klöber genannt. Wer machte was?
Klöber verfasste mit seiner Gruppe „Sexer-Pack“ die Disco-Titel – beispielsweise für die Ladenausräumung – er gab mir aber auch Ideen für einige meiner Musikstücke, die dann auch von seiner Gruppe gespielt wurden.
Zum Film „Nach Mitternacht“ (1981): Ein Film über Gewissenskonflikte im Jahre 1936. Haben Sie bei dieser Filmarbeit, vielleicht durch Ihre eigenen Erinnerungen beeinflusst, Emotionen entwickelt?
Kolossale Emotionen! Mein Vater, Emmerich Kálmán, war Jude. Zwei Jahre später, 1938, hat sich dasselbe in Österreich abgespielt, das alles hat sich bei der Filmarbeit nach oben gekehrt. Denn was da in „Nach Mitternacht“ geschieht, ist noch wesentlich schlimmer in Wien geschehen: Freunde die verschwanden oder ins Konzentrationslager mussten, die flüchteten und auch verzweifelt waren, weil sie weder ein noch aus wussten. Ein Schicksal wie das des Doktor Breslauer, wie es sich im Film abspielt, hat sich in unserem Freundeskreis zigmal abgespielt.
Gerade in diesem Film gibt es eine Szene, wo Ihre Musik das Grauen dieser Zeit verdeutlicht, wenn ein kleines Mädchen, Bertha, vor Erschöpfung tot zusammenbricht, da es ständig gezwungen wurde, ein Lobgedicht auf Hitler aufzusagen. In dem Moment, wo Leska den abgefallen Schuh des Mädchens in die Hand nimmt, setzt eine das Hauptthema paraphrasierende Musik ein – es könnten Glöckchen gewesen sein.
Ja, es war ein mit Glockenspiel entfremdeter Celesta. Bei dieser Sequenz haben wir am Mischpult den Pegel besonders hoch angesetzt, um es ungemein schrill klingen zu lassen. Wieso erwähnen Sie gerade diese Szene?
Weil die Musik hier auf eine ungewöhnliche Weise spielt, dabei wohl auch die klingende Härte das Geschehen ergänzt. Welche Überlegungen haben Sie sich hier gemacht?
Ich hatte bemerkt, dass in diesem Restaurant, wo sich die Tragödie abspielt, vorher ein Playerpiano zu hören ist. So sagte ich mir, dass es schon ein Tasteninstrument sein müsste. Auf jeden Fall wusste ich, dass man hier kein Orchestercrescendo erklingen lassen konnte – das hätte die ganze Atmosphäre zerstört. Das Letztere ist ein Makel, was besonders den älteren Hollywoodfilmen anhaftet.
Auch in „Fabian“ gibt es ein so stilles Klaviersolo, wenn Fabian seinen toten Freund im Krankenhaus begleitet.
Das ist aber nicht von mir. Wolf greift gern auf bereits vorhandene Musiken zurück, die in diese Periode fallen. Dabei helfe ich ihm auch manchmal. Die Idee der Verwendung der Rossini-Ouvertüre zur „Diebischen Elster“ im Anfang von „Kamikaze 1989“ (wo die Musik von Tangerine Dream geschrieben wurde) ist auch von mir; in dem Beispiel von „Fabian“ wollte er so einen richtigen Jazz-Touch in die Szene bringen und hat ein Stück von Fats Waller genommen.
Gibt es Kollegen, die Sie besonders mögen oder schätzen?
Von den Pionieren Max Steiner, Franz Waxman, Miklos Rozsa, Erich Wolfgang Korngold und Bernard Herrmann. Von den Neuen finde ich eigentlich Goldsmith am besten, weil er sehr intelligent arbeitet und eine eigene Handschrift hat.