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Gerald Fried … und ein fast vergessener Film

Gerald Fried, Filmkomponist, Filmmusik
Gerald Fried – 13. Februar 1928 – 17. Februar 2023

„Überleben“ („Supervivientes de los Andes“) ist ein mexikanischer Film aus dem Jahr 1976 unter der Regie von René Cardona, beruhend auf einer wahren Begebenheit, die 1972 großes Aufsehen erregte und noch Jahre danach für öffentliche Diskussionen sorgte.

Eine Maschine vom Typ Fairchild-Hiller FH-227 war am 13. Oktober 1972 mit 45 Menschen an Bord in den Anden abgestürzt und konnte trotz intensiver Suche von den Rettungskräften nicht ausfindig gemacht werden. Aufgrund der ausbleibenden Hilfe und der extremen Notlage begannen einige der Überlebenden damit, die Leichen der Passagiere zu essen, die beim Absturz ums Leben gekommen waren.

Drei Männer machten sich schließlich auf den Weg, um aus eigenen Kräften die Zivilisation zu erreichen. Tatsächlich trafen sie nach Tagen des Herumirrens auf einige Schafshirten, mit deren Hilfe sie Rettungskräfte herbeirufen konnten.

Erst am 23. Dezember 1972 waren alle Überlebenden, insgesamt 16 Personen, in Sicherheit.

Eine bittere Ironie des Schicksals war es, dass sich ca. 30 km von der Absturzstelle entfernt ein leeres Hotel befand, in welchem sich Lebensmittelvorräte, Erste-Hilfe-Kästen und Kleidung befanden. Hätten die Überlebenden das Hotel entdeckt, wäre es vermutlich niemals zum Kannibalismus gekommen.

„Überleben“ – Mexiko, 1976

„Überleben“/„Supervivientes de los Andes“ war der erste Spielfilm, der sich auf das tragische Ereignis bezog, das Drehbuch basierte auf dem gleichnamigen Buch von Clay Blair jr.

Der Film wurde in Europa weitgehendst positiv aufgenommen, hinterließ dennoch keinen nachhaltigen Eindruck; inzwischen ist er nahezu vergessen, beinahe so, als hätte es ihn nie gegeben.

In den USA lief der Film unter dem Titel „Survive!“, war kommerziell gesehen durchaus erfolgreich, wurde jedoch vom Publikum und der Presse eher negativ bewertet. Die New York Times sprach von „einem ärgerlich synchronisierten Film mit rudimentärer Darstellung zu einer manchmal blechernen Musikbegleitung“.

Hierzu muss man wissen, dass „Survive!“ in den USA von Robert Stigwood herausgebracht wurde. Der erfolgreiche Musik- und Filmproduzent ließ den mexikanischen Originalfilm einer umfangreichen Nachbearbeitung unterziehen: u. a. wurde der spanischsprachige Film nun von amerikanischen Schauspielern ins Englische synchronisiert, ganze Filmpassagen wurden umgestellt, und für die Filmmusik verpflichtete Stigwood einen routinierten Hollywood-Komponisten – Gerald Fried.

Das amerikanische Publikum war synchronisierte Filme nicht gewohnt, weshalb es überwiegend verhalten auf „Survive!“ reagierte. Zudem bekamen die Zuschauer hier in einem Top-Film kein einziges Gesicht zu sehen, das man aus einem Hollywood-Streifen oder dem US-Fernsehen gekannt hätte. Der Film wirkte schlicht „unamerikanisch“.

René Cardona legte mit „Überleben“ jedoch im Großen und Ganzen eine solide Arbeit vor. Das Thema Kannibalismus wurde, trotz mehrerer drastischen Szenen, keineswegs voyeuristisch ausgeschlachtet … auch wurden die Überlebenden nicht heroisiert. Der Aufwand der Inszenierung allerdings sowie die verwendete Tricktechnik entsprachen selbst nach damaligen Maßstäben eher einer Fernsehproduktion. Die zwei Jahrzehnte später entstandene amerikanischen Verfilmung „Alive“ (1993) konnte in diesem Punkt schon eher überzeugen.

Gerald Frieds Filmmusik zum „Überleben!“-Film aus dem Jahr 1976 hat nichts „Blechernes“ an sich, wie die New York Times unterstellte. Der von der Zeitung verwendete Begriff „blechern“ bezieht sich vermutlich auf das mit mehrfach besetzten Blasinstrumenten sowie Rhythmusgruppe ausgestattete Orchester, das Fried zur Verfügung stand. Der Sound ähnelte folglich dem einer Big Band .

Gerald Fried bekam den Auftrag, „Überleben“ zu vertonen, noch bevor die amerikanische Postproduktion abgeschlossen war. Es ist davon auszugehen, dass ihm allenfalls Versatzstücke des Streifens gezeigt wurden, bevor er schließlich die Noten niederschrieb.

Er verfasste diverse Musikpassagen, die später am Regietisch von den Verantwortlichen – mit wenig Gespür für dramaturgische Richtigkeit – ins Filmgeschehen eingefügt wurden. Dies erklärt auch, warum die Musik so häufig deplatziert wirkt.

Der Schwerpunkt lag auf optimistischen, euphorischen Passagen, die der gezeigten Szenerie nicht gerecht wurden bzw. erst zum Ende des Films hin angebracht gewesen wären.

„Überleben“ ist kein großer Film, wie sein Nachfolger aus dem Jahre 1993 übrigens auch nicht. Dass der Film inzwischen nahezu vergessen ist, ist insofern kein Drama.

Was die Filmmusik angeht, so bewies Gerald Fried hier, was er in seiner gesamten Karriere als Filmkomponist bewies: er war ein Routinier, aber eben ein sehr kreativer Routinier!

Der am 13. Februar 1928 in New York City geborene Musiker starb am 17. Februar 2023 in Bridgeport, Connecticut.

Gerald Fried