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Vangelis 1943 – 2022

Musik wie aus fremden Sphären: Vangelis – 29. März 1943 – 17.05.2022

Zum Leben und Tode von Evángelos Odysséas Papathanassíou, bekannt als Vangelis, wurde in den letzten Tagen viel veröffentlicht. Hier soll es darum gehen, welche Bedeutung der griechische Komponist für das Genre Filmmusik hatte.

Vangelis wurde nachgesagt, dass er dem Komponieren von Soundtracks kein besonderes Gewicht beimaß, dass er im Gegenteil Filmmusik für minderwertig hielt, dass sie seiner Meinung nach nicht einmal eine Musikrichtung sei.

Es wäre selbstverständlich sein gutes Recht gewesen, derartiges zu glauben … allein hätte er mit einer solchen Meinung gewiss nicht dagestanden – weitere Komponisten vertraten und vertreten diese Ansicht, und sogar Musikexperten stimmen solchen Äußerungen mitunter bedenkenlos zu. Wie es letztendlich bei dem einen oder anderen zu einer solchen Fehleinschätzung kommt, ist allerdings eine Frage, die in diesem kurzen Nachruf nicht beantwortet werden soll.

Vangelis war kein Filmkomponist, der mit der Stoppuhr arbeitete, um ganz bestimmte Töne zur richtigen Zeit erklingen zu lassen. Es war nicht sein Anliegen, zu jeder einzelnen Szene die dramaturgisch richtige Musik erklingen zu lassen – und um ehrlich zu sein, beherrschte er dieses explizit handwerkliche Können auch gar nicht … er wollte es nicht lernen, oder es war ihm schlichtweg egal.

Das machte ihn jedoch nicht zu einem schlechten Filmkomponisten. Vangelis war im Gegenteil eine Bereicherung für viele der Filme, zu denen er die Musik beisteuerte, denn nicht jedes Kino- oder Fernseherlebnis wird besser, weil die Musik von einem filmmusikalischen Handwerker stammt, der seine Kompositionen professionell und punktgenau einzusetzen weiß. Es gibt Filme, die keine maßgeschneiderte Musik benötigen, sondern einen Soundtrack, der die visuell dargestellte Stimmung in ihrer Gesamtheit widerspiegelt … Töne, die mit den Bildern auf der Leinwand verschmelzen.

Vangelis vermochte es, überwältigende Klangteppiche zu schaffen, die mit so manchen Film zu einer solchen Einheit wurden. Sein Meisterwerk hierbei war das 1982 in die Kinos gekommen Science-Fiction-Epos „Blade Runner“, die von ihm erschaffenen Synthesizer-Klänge verliehen dem Film eine erstaunliche Tiefe, machten ihn faszinierend und glaubwürdig.

Vangelis und seine bekannteste Filmmusik, die zu „Blade Runner“

Das weltberühmte Thema aus „Chariots of Fire“ gilt den meisten Musikfreunden zwar als ein Jahrzehnte überdauernder Ohrwurm, durchaus von hoher Qualität, aber als Beispiel eines besonders eindrucksvollen Scores blieb die Musik nicht in Erinnerung, was im Wesentlichen daran liegt, dass die „Stunde des Siegers“ nie ernsthafte Bekanntheit erlangte.

Auch „1492: Conquest of Paradise“ wurde ein bekannter und zudem kommerziell außerordentlich erfolgreicher Score. Künstlerisch erreichte Vangelis damit allerdings den Tiefpunkt seiner filmmusikalischen Karriere: Die komplette Partition tritt mit ihrer eindimensionalen Klangkulisse auf der Stelle, und der Komponist kam in keinem Moment über sein altbekanntes Idiom hinaus. Ausgerechnet das berühmte Titelthema ist nahezu peinlich simpel gestrickt, es könnte genauso gut während der Störtebeker-Festspiele heruntergeleiert werden oder zu einer x-beliebigen Rasierwasserwerbung gehören. Der Verkaufserfolg des Soundtrack-Albums sowie die endlos begeisterten Kommentare unter entsprechenden YouTube-Videos dürfen hier wahrlich nicht als Qualitätssiegel gewertet werden.

Aber auch ein solcher Ausrutscher schmälert Vangelis‘ musikalische Bedeutung nicht wirklich, denn selbst die allergrößten Meister haben Inspiriertes und weniger Inspiriertes geschrieben. Und so spricht es letztlich für den am 17. Mai 2022  verstorbenen Komponisten, dass er in jeder Hinsicht ein gehöriges Maß an Vielfältigkeit zeigte.